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Pen and Paper Platypus

Eine fabelhafte Kuriositätensammlung zum Thema Rollenspiel

16. Januar 2023

Hinterm Bründeldeich: Vater über Bord - Teil 1

Spielbericht des offiziellen Brindlwood Bay Abenteuers - Vater über Bord

Hinterm Bründeldeich: Vater über Bord - Teil 1

Das Intro

Die Kamera fliegt über eine Kleinstadt an der Nordsee hinweg und eine fröhliche Intromusik setzt ein. Es ist Spätsommer, in den schmalen Gassen tummeln sich die letzten Urlauber. Am Stadtrand ist es hingegen ruhiger. Wir erblicken ein reetgedecktes Häuschen, umgeben von einem riesigen Garten. Die Kamera zoomt in eine gemütliche Küche und auf eine kleine alte Dame, die kräftig in einer Schüssel rührt. 

Standbild mit dem Schriftzug: Niclas als Anneliese Noll. 

Unsere Kamerafahrt geht weiter zum Strand. Wir sehen eine Familie, deren kleiner Sohn im Sand spielt. Weiter geht die Fahrt und wir blicken durch das Fenster eines Strandhauses. Vor einem pompösen Schminktisch sitzt eine reife Frau im besten Alter, die gerade die Puderquaste schwingt. 

Standbild mit dem Schriftzug: Nadine als Edith Hunkemöller

Die Kamera wendet sich nun dem alten Hafen zu, an dem die kleinen schiefen Häuschen dicht an dicht stehen. Eine der Türen öffnet sich und eine pausbäckige, alte Frau tritt hindurch und zieht einen fetten, alten Labrador hinter sich her. Grummelig starrt sie in die Kamera. 

Standbild mit dem Schriftzug: Katharina als Ingred Holthusen.

Die Kamera zoomt hinaus aufs Meer. Wir sehen in der Ferne eine Luxusyacht, hinter der sich ein Unwetter zusammenbraut. Es wird dunkel am Horizont, eine mysteriöse, düstere Melodie setzt ein. Blitze zucken über den Wolken und enthüllen einen monströsen Schemen.

Überblende zu einem farbentsettigten Titelscreen mit dem altmodischen Schriftzug: Hinterm Bründeldeich - Vater über Bord, ein offizielles Brindlewood Bay Abenteuer erzählt von Tim

Szene 1- Die Kennerinnen

Wir sehen die windzerzauste Ingred schief pfeifend durch die Tür ihres Häuschens treten, der wurstige Labrador Arnold tapst müde hinter ihr her. Achtlos pfeffert Ingred ihre Gummistiefel in eine Ecke, hängt den Regenoverall schief an einen Haken und begibt sich ins Wohnzimmer. Dort entzündet sie den Kamin, setzt sich in einen gemütlichen, abgewetzten Sessel und schenkt sich etwas von dem vorbereiteten Tee ein. Sie entfaltet ihre Zeitung und beginnt ein Kreuzworträtsel zu lösen. Arnold legt sich zu ihren Füßen und flatuliert. 

Überblende zu einem Schwarzbild. Eine Eieruhr macht Ding. Wir blenden auf einen vorzüglich aussehenden Zwetschgenkuchen, der im Ofen bräunt. Die Ofenklappe wird geöffnet und zwei Ofenhandschuhe greifen nach dem Blech und stellen es schwungvoll auf die Arbeitsfläche. Anneliese beäugt ihr Werk zufrieden, schneidet den Kuchen zurecht und drapiert ihn auf einem Tablett. Dann verabschiedet sie sich mit einem Nasenstüber bei ihrer buntscheckigen Katze Minka und macht sich, mit dem Kuchen bewaffnet, zur Kirche auf. Auf dem Kirchenplatz begrüßt sie ehrfurchtsvoll den Pastor von St. Barbara, drückt ihm den Kuchen in die Arme und verschwindet zur Messe ins Gotteshaus. Dort setzt sie sich auf die Empore, lässt den Blick über die versammelte Gemeinde schweifen und öffnet dann zufrieden ein Klatschmagazin. 

Überblende zu einem Schwarzbild. Es ertönt das penetrante Piepen eines Weckers. Wir sehen Edith, wie sie sich genüsslich aus dem Schlaf räkelt. Schwungvoll erhebt sie sich aus dem Bett, streift einen lila Morgenmantel über und begibt sich nach unten. Dort setzt sie einen Tee auf und beginnt dann im Wohnzimmer mit ihrer morgendlichen Tuchgymnastik. Danach richtet sie sich elegant zurecht, um nach der Messe die Kirchgänger für den sonntäglichen Klatsch und Tratsch abzufangen. 

Die Kirchgänger strömen aus der Messe. Anneliese verabschiedet sich vom Pfarrer und begrüßt ihre Freundin Edith. Von der Seite kommt Ingred mühsam demmelnd auf ihren klapprigen Drahtesel ins Bild gefahren und grüßt die Freundinnen mit Fahrradklingeln. 

Szene 2 - Polizist in Nöten

Wir sehen den Leseraum des Gemeindezentrums. Um einen runden Tisch stehen drei Stühle: Ein gemütlicher Ohrensessel, ein alter Schaukelstuhl und ein ergonomisch geformter Metallwippstuhl. Es ist offensichtlich, dass unsere Kennerinnen den Raum auch ansonsten völlig in Beschlag genommen haben: Die Regale sind mit der gesamten Krimisammlung über ihr Idol Amanda Delacourt vollgestopft, in der Ecke steht ein Pappaufsteller von Robin Mastersons mit Eddingsignatur der Autorin. 

Zwei unserer Protagonistinnen - Edith und Anneliese- sitzen am Tisch in der Mitte des Raums. Im Hintergrund sieht man Ingred skeptisch in der Kaffeeecke stehen und eine Teetasse inspizieren. 

Edith: Ich habe den Brief fertig gestellt. 

Anneliese: Den Brief? 

Edith: Na ihr wisst schon, den an Robin Mastersons. Wo wir deutlich ausführen, dass die stereotype Darstellung der älteren Dame als trauernde Witwe sehr häufig in den Romanen vorkommt. Etwas zu häufig möchte ich meinen. 

Ingred, die sich jetzt zu den anderen gesellt: Die Tassen sind nicht ordentlich gespült. 

Annelise, Ingred ignorierend: Hmm, gab es nicht den einen Fall mit der verwegenen Schmuckverkäuferin …?

Edith: Da stirbt der Mann auch am Schluss. Wir sind das alles doch schonmal durchgegangen….Was haltet ihr denn jetzt von dem Brief?

Ingred, die sich jetzt über den Brief beugt: D-e-a-r  M-r-s Maa-ss-ster-soon-sss

Edith: Warte, ich habe auch eine deutsche Version. 

Edith kramt ein wenig in ihren Papieren herum. In diesem Moment klopft es an der Tür. Ein wohlbeleibter Mann schiebt sich schnaubend in den Raum. Es handelt sich um den leitenden Provinzpolizisten von Bründldaich, Herr Petersen. Schwerfällig zieht er sich einen alten Polsterstuhl heran und setzt sich zu den alten Damen. Anneliese springt sofort auf, hastet hinüber und bereitet dem Polizisten einen Tee zu. Dabei übertreibt sie es etwas mit Kandis und Sahne.

Petersen, die Teetasse von Anneliese entgegen nehmend: Danke… danke… meine liebe Frau Noll! Ersteinmal guten morgen die Damen!... Nun, es ist wieder einmal soweit, fürchte ich.… Am gestrigen Abend ereignete sich… ein Mord! 

Dand-dan-da! Herr Petersen hat jetzt die volle Aufmerksamkeit unseres Trios. 

Rückblende zu der Leiche eines Mannes, die am Strand liegt. Wellen schlagen gegen die teuren Schuhe. Man hört Peterson, als Erzählstimme aus dem Off:

Heute Morgen wurde die Leiche von einem amerikanischen Finanzmagnaten am Strand entdeckt. Bei dem Toten handelt es sich wohl um…ä… Albert Krause,... der hier auf seiner Yacht zusammen mit der Familie Urlaub machte. Ich habe bereits mit der Familie gesprochen… Angeblich war das ganze ein Unfall und außer der Familie und dem Butler war niemand zugegen. Er soll gestern Nacht beim Sturm über die… ä…  Reling gestürzt sein. Doch ich bin mir sicher, dass es kein Unfall war. Ha!... Irgendetwas stimmt nicht,... doch… nun… ich kann es mir nicht leisten, gegen eine so… wohlhabende… Familie zu ermitteln. Und da musste ich an Sie denken… Sicherlich fällt es gar nicht auf, wenn ein Paar nette alte Damen ein paar Fragen stellen?... 

Die Kamera blendet zurück ins Jetzt. Nachdenklich besprechen die Damen den Fall. Anneliese steht auf und beginnt - äußerst gründlich- die Tassen zu spülen. 

Szene 3 - Der fahrige Fischer

Nachdem Herr Petersen unsere Krimikennerinnen noch mit den nötigen Details rund um die Familie Krause ausgestattet hat, machen sie sich auf zu dem lokalen Fischhändler Pier Beauregard. Dieser ist ein alter Freund der Krausens und hat sich bereit erklärt die Leiche in seiner Kühlkammer zwischen zu lagern. 

Wir sehen eine Panoramafahrt über den alten Fischmarkt. Da dieser am Sonntag geschlossen hat, ist es hier erstaunlich leer und alle Buden sind verrammelt. Während Ingred den Fischgeruch genüsslich aufsaugt, wird Edith unangenehm an einen ihrer Stammgäste aus ihrer Zeit als Kneipenwirtin auf der Reeperbahn erinnert. Dieser stank immer sehr aufdringlich nach Fisch und war auch ansonsten ein recht unangenehmer Zeitgenosse. 

Die Damen treten an eines der Häuschen heran. Der Bereich davor ist mit einem heute verriegelten Marktstand ausgestattet und von einer Markise überspannt. Anneliese betätigt die Klingel. Es dauert eine Weile, dann öffnet Pier. 

Pier, mit französischem Akzent: Guten Morgen, die Damen, was kann ich für Sie tun? 

Ingred: Moin, Moin! Wir kommen wegen der Leiche!

Anneliese, leise zischend: Ingred! 

Pier, verdattert:... Wie?... Woher wissen sie…? 

Anneliese, beruhigend: Ersteinmal einen guten Morgen Herr Beauregard. Sicherlich hat Herr Petersen sie über unser Kommen informiert?

Pier: Informiert…? Herr Petersen hat mich nicht…? 

Edith, den Fuß unauffällig in die Tür schiebend: Wir sollen für Herrn Petersen einen Blick auf Herrn Krauses Leiche werfen. Wir sind seine… Assistentinnen…Dauert auch nicht lange! 

Wie diesen Worten schieben sich unsere Protagonistinnen an den verdattert drein blickenden Pier vorbei in das kleine Fischerhäuschen. Dieser schaut ängslich nach links und rechts bevor er die Tür hinter ihnen zuzieht.

Pier: Was gibt es denn noch? Ich dachte, ich sollte Albert bloß bis zur Beerdigung aufbewahren?

Edith: Wir wollen lediglich noch einmal einen kurzen Blick auf ihn werfen. Nur um sicher zu gehen…

Pier: Sicher gehen? Es war ein Unfall! Ich war selbst dabei! Er ist bei Sturm über die Rehling gefallen!

Ingred, Pier mit ihrem Blick durchbohrend: Natürlich. Wer würde den netten Herrn Krause denn schon töten wollen…Nicht wahr?

Pier, zögerlich und sichtlich nervös: Nun… Albert hatte viele Feinde. Als ich gestern an Bord des Schiffes kam, stritt Albert sich gerade mit einer Frau. Ich konnte nicht sehen, um wen es sich handelte, aber sie sagte: "Damit wirst du nicht durchkommen.” …Aber das tut auch nichts weiter zu Sache. Wie ich bereits sagte, es war ein Unfall!

Nachdem Anneliese den fahrigen Fischer erfolgreich abgewimmelt hat, verschwindet dieser mit einem letzten ängstlichen Blick auf die Tür zur Kühlkammer nach oben. Während sich Anneliese dem unordentlichen Flur annimmt und dabei Schmiere steht, beginnen Ingred und Edith ein wenig rumzuschnüffeln. Ingred, bewaffnet mit ihrem alten Erstehilfekoffer aus ihrer Zeit als Schiffskrankenschwester, macht sich auf in die Kühlkammer. Edith begleitet sie, eilt beim Anblick -und vor allem Geruch- der herabhängenden Fische jedoch schnell weiter in das angrenzende Büro. Pier hatte die Damen noch explizit darauf hingewiesen, dort lieber nicht hinein zu gehen - für Edith natürlich Grund genug, genau das zu tun. 

Ingred erspäht schnell die schwere, alte  Industriekühltruhe. Quitschend hebt sie den schweren Deckel an und blickt hinab auf die aufgequollene Leiche von Albert Krause. Der Finanzhai ist in einen teuren, jedoch blutdurchtränkten Mantel gehüllt. Beim näheren Inspizieren entdeckt sie eine zersprungene Designeruhr. Sie ist stehen geblieben  - Auf exakt neun Uhr! Da stimmt doch was nicht… Ehe sie näher darüber nachdenken kann, hört Ingred hinter sich plötzlich ein seltsames Platschen und die Leuchtstoffröhren über ihr beginnen unheilvoll zu flackern. Langsam dreht sie sich um und blickt in die toten Augen einer Scholle. Wasser tropft aus dem Fischmaul, das sich nun langsam öffnet. 

Abgrund, dröhnt die dunkle Stimme des Fischs bedrohlich durch die Kühlkammer. 

Derweil durchwühlt Edith munter Piers Schreibtisch. An den Wänden hängen zahlreiche Fotografien, die Pier mit den Krauses zeigt. Es ist auffällig, dass die Bilder stets nur Pier mit Frau Krause oder den Kindern zeigen und Edith bemerkt, dass sogar einige Bilder zu fehlen scheinen…. Im Mülleimer macht sie dann einen überaus interessanten Fund: Pier muss die Bilder vor kurzem erst entsorgt haben. Sie sind zerknüllt und auf allen ist Albert Krauses Gesicht wütend mit Edding ausgeixt worden. Plötzlich ertönt Ingreds Schrei aus dem Nachbarraum.

Von oben kommt alarmierte Pier herbeigehastet. Anneliese, die gerade einen Shanti-Karpfen über der Tür zurechtgerückt hat, weiß, dass sie ihren Freundinnen Zeit verschaffen muss. Mutig baut sich die kleine Frau im Türrahmen auf.

Pier: Was ist passiert?

Anneliese: Passiert,...? Nichts, nichts, alles in bester Ordnung!

Pier: Da war ein Schrei!

Anneliese: Oh, der Schrei…, Nicht weiter schlimm. Ingred ist manchmal etwas schusselig.

Pier: Lasst mich doch nachsehen, gute Frau!

Anneliese, etwas schriller: Ich bin mir sicher, es ist alles in bester Ordnung!

Derweil beeilt sich Edith schnell aus dem Büro zu entkommen. Dabei stößt sie eine Tasse vom Tisch, die klirrend am Boden zerschellt.

Pier: Was war das?

Ungeduldig versucht er sich an Anneliese vorbeizwängen, dabei stolpert diese und fällt zu Boden.

Pier: Pardon, Madame!

Anneliese, entrüstet: Junger Mann! Wenn Sie mich schon überrumpeln, dann helfen Sie mir doch bitte auch wieder auf die Beine!

Pier: Entschuldigung, Entschuldigung!

Im Kühlraum wird die Luft langsam dünn! Schnell zieht Edith die Bürotür hinter sich ins Schloss und hakt sich bei der sichtlich aufgewühlten Ingred unter. Den beiden gelingt es noch, einen Fleischerhaken auf dem Boden zu drapieren, dann kommt auch schon Pier, gefolgt von Anneliese durch die Tür.

Pier: Was ist geschehen?

Edith: Oh, nichts, nichts. Ingred hat sich bloß ein bisschen erschreckt.

Pier: Aber dieses Geräusch…?

Edith: Ach das, wir sind bloß in dem ganzen Durcheinander gegen diesen Haken gestoßen.

Anneliese: Ingred, du brauchst dringend eine Tasse Tee!

Ingred, immernoch auf die Scholle starrend: Nein, mir ist nicht gut. Ich will bloß schnell nach Hause. 

Hastig schieben sich die drei an dem sichtlich verwirrten Pier vorbei. 

Pier, ihnen nachrufend: Ich hoffe, es geht ihnen bald wieder besser, Madame. Kann ich ihnen etwas von dieser leckeren Scholle anbieten?

Ingred: KEINE Scholle!


Szene 4 - Eine todsichere Angelegenheit

Unsere Krimikennerinnen haben es sich bei Anneliese gemütlich gemacht. Anneliese hat Ingred mit vorzüglicher Gemüsesuppe versorgt, die die warme Brühe genüsslich in sich hineinschlürft. So langsam findet sie zu ihrem grummeligen Selbst zurück und ist davon überzeugt, dass sie sich das mit der Scholle bloß eingebildet hat. Besser sie erzählt den anderen erst gar nicht davon…

Anneliese: Was habt ihr beide denn jetzt eigentlich da drin getrieben?

Ingred: Was sollen wir denn schon getrieben haben?! Die Leiche untersucht hab ich! Und wisst ihr, was mir dabei aufgefallen ist? Seine Uhr! Sie ist nämlich stehen geblieben…um genau neun Uhr!

Anneliese: Nein!

Ingred: Oh doch! Und da ist mir klar geworden, dass etwas nicht stimmen kann! Denn der Sturm kam erst gegen elf Uhr auf, da bin ich mir ganz sicher! Ich war nämlich gestern noch wach und habe das Aufziehen der Wolken beobachtet. 

Edith: Das ist ja hoch interessant! Und ich habe auch etwas höchst seltsames entdeckt. Dieser Pier hatte überall Bilder hängen, wo er mit der Frau Krause darauf abgelichtet war. Und es kommt noch viel besser! Wisst ihr, was ich im Mülleimer gefunden habe? Bilder von ihm, dem Pier, zusammen mit dem Albert Krause! Und sein Gesicht war mit Edding übermalt. Also das vom Krause. Einfach durchgestrichen!

Anneliese: Nein!

Edith: Sagt mal, wisst ihr, was ich glaube? Der Pier und die Frau Krause standen sich nahe.

Anneliese: Nein! Du meinst…?

Ingred: Eine Lüü---ee-song?

Edith: Genau! Die hatten eine Affäre!

Ingred: Was glaubt ihr, wie lange das schon so ging? Sag mal Anneliese, hattest du nicht erzählt, du kennst den ihre Tochter?

Anneliese: Also, als die Sarah mit meinem Nelio auf der Entbindungsstation lag, da war die Frau Krause gerade in den Wehen. Das muss bei der Geburt von der Jüngsten gewesen sein. Emelie heißt die, genau. Ich habe die Frau Krause danach dann häufiger auf der Kinderstation gesehen. Der Herr Krause, war ein Kollege von meinem Mann gewesen, müsst ihr wissen. 

Ingred: Und das Kind? War da was mit?

Anneliese: Was? Nein, nein! Da war alles ganz normal, damals. Glaube ich… 

In diesem Moment werden unsere Kennerinnen vom Türläuten unterbrochen. Ein Blick aus dem Fenster verrät Anneliese, bei wem es sich bei dem unangemeldeten Besuch handelt.

Anneliese, ehrfürchtig hauchend: Der Pach!

Schnell entreißt Anneliese der protestierenden Ingred den Suppenteller und stellt ihn in die Spüle. Sie streicht sich nervös die Schürze glatt, dann eilt sie zur Tür.

Anneliese: Herr Pfarrer, welch wunderbare Überraschung! Kommen Sie doch herein!

Pfarrer: Oh nein, nein. Das ist furchtbar nett, aber bedauerlicherweise muss ich gleich schon wieder weiter. Ich wollte ihnen nur eben ein Paar Äpfel aus dem Pfarrgarten vorbeibringen. Außerdem habe ich eine kleine Bitte.

Anneliese: Ach Herr Pfarrer, das ist ja zu lieb von Ihnen! Was kann ich denn für sie tun?

Pfarrer: Sicherlich haben Sie es schon gehört. Der Herr Krause ist letzte Nacht verstorben.-

Anneliese: Ja, ja, eine schlimme Sache!

Pfarrer: Ich habe heute morgen mit der armen Witwe gesprochen und mit ihr verabredet, dass wir morgen einen kleinen Trauergottesdienst bei uns in der Gemeinde abhalten. Im ganz kleinen Kreis, versteht sich.-

Anneliese: Eine wunderbare Idee, Herr Pfarrer!

Pfarrer: Ihr Mann war doch damals der Kollege von dem Herr Krause, nicht wahr? Wollen sie denn nicht auch kommen Frau Noll?

Anneliese: Aber selbstverständlich! Ich bereite gleich auch einen Kuchen für den Tröster vor…Wollen sie nicht doch kurz mit rein kommen Herr Pfarrer? Es ist recht frisch geworden…

Pfarrer, sie hastig unterbrechend: Das ist wirklich furchtbar nett, aber ich muss noch die Trauerrede vorbereiten. Einen schönen Abend noch, Frau Noll!

Anneliese, etwas enttäuscht: Bis morgen dann, Herr Pfarrer!...Bis morgen…

Anneliese starrt ihm noch kurz hinterher, dann kommt sie wieder zu sich und hieft den schweren Korb in die Küche. Dort warten Edith und Ingred bereits auf sie.

Anneliese: Helft mir mal mit dem Korb! Wir statten der Frau Krause heute noch einen Kondolenzbesuch ab und ich will nicht mit leeren Händen dastehen!

Szene 5- Die königliche Dame

Nachdem Anneliese eine wundervolle Apfeltart gezaubert und noch etwas Suppe in Thermoskannen umgefüllt hat, machen sich unsere Kennerinnen mit Ediths kleiner klapprigen Karre auf zum Hafen. Dort treffen sie sich mit Selma Sturm, Wirtin in einer Hafenkneipe und langjährige Bekannte von Edith. Edith überredet Selma, die drei zur Yacht überzusetzen. Etwas missmutig willigt Selma ein.

Selma: Was wollt ihr denn eigentlich da drüben?

Edith: Oh, nur unser Mitgefühl zum Ausdruck bringen.

Anneliese: Die arme Familie!

Edith: Sag mal, Selma hast du vielleicht mehr über die Tragödie gehört? Wer hat die Leiche denn überhaupt gefunden?

Selma: Natürlich! Ich wusste es, ihr seid doch wieder am rumschnüffeln! Immer müsst ihr euch überall einmischen!

Die restliche Fahrt verläuft in peinlich berührtem Schweigen. An der Yacht angenommen, verabreden Edith und Selma, dass die drei in einer Stunde wieder abgeholt werden.

Dann machen sich die drei im Dämmerlicht an den nicht ganz ungefährlichen Aufstieg. Einen entsetzlichen Moment scheint es, als würde Anneliese mitsamt dem köstlichen Kuchen ins Wasser klatschen. Doch dann überkommt sie eine Erinnerung, die ihr halt gibt: 

In einer Rückblende sehen wir die deutlich jüngere Anneliese mit ihrem Ehemann Theodor auf einem Kreuzfahrtschiff. In einem plötzlichen Anfall jugendlichen Leichtsinns stellt sich Anneliese vorn an die Reling und breitet ihre Arme aus. Genau wie in ihrem Lieblingsfilm! Theo stellt sich hinter sie und hält sie fest. Ein Glück, denn als plötzlich eine Welle das Schiff zum Schwanken bringt, sind es Theos starke Arme, die Anneliese am Fallen hindern. Es ist dieser Moment, an den Anneliese in den folgenden Jahren immer wieder denkt, wenn es in der Ehe mal wieder nicht so gut läuft.

Zurück auf der Leiter des Schiffs: Anneliese hat den Aufstieg mittlerweile geschafft. Ingred und Edith sind ihr dicht auf den Versen.

Edith leise zu Ingred: Hör mal, ich würde mich gerne ein bisschen auf dem Schiff umsehen…

Oben an Deck wird Anneliese derweil von dem Butler Andrew in Empfang genommen, der in einer schnurgeraden Linie auf sie zugeschritten kommt.

Andrew, etwas irritiert: Die Dame...?

Anneliese: Oh, einen guten Abend. Wir sind gekommen, um Frau Krause unser Beileid zu entrichten. Wir,-...

Andrew, jetzt mit schneidender Stimme: Und sie sind?

Anneliese: Oh, ich bin Frau Noll, eine gute Bekannte von Frau Krause. Wir sind,-...

Ingred, die gerade ihren Kopf über die Reling schiebt: Wir sind zu zweit! Ich bin Ingred!

Andrew, mit zusammengekniffenen Augen: Ich wurde weder über den Besuch einer Frau Noll, noch über den einer Frau Ingred informiert. 

Anneliese: Nun, jetzt sind wir eben da. Ich habe einen Kuchen mitgebracht und unser Boot hat bereits wieder abgelegt.  

Andrew, resigniert: Dann kommen sie eben mit.

Zackig macht er auf dem Absatz kehrt und führt die beiden eine Treppe hinauf. Im Hintergrund sieht man Edith in die Schatten huschen. 

Alles an Bord des Schiffs deutet zweifelsfrei darauf hin, dass die Krauses im Geld schwimmen. Die Reling ist aus teuren Tropenholz, das sicherlich in der EU verboten ist und selbst die Rettungsboote sind mit Minibar ausgestattet. Von oben hört man ein leises Klack, als ein Golfschläger beherzt gegen einen Ball geschwungen wird. Andrew bittet die Damen in einen edlen Salon. An einem wuchtigen Sekretär in der Ecke sitzt Alison Krause, die Witwe, tief über ihre Unterlagen gebeugt. Sie wirkt mehr gedankenverloren als betrübt.

Butler: Ähämm.

Alison: Andrew, ich sagte doch, dass ich nicht gestört werden möchte.

Andrew: Ich bringe Ihnen Besuch. Frau Noll und Frau Ingred.

Anneliese: Meine liebe Frau Krause. Mein Beileid zu ihrem Verlust!

Alison: Oh, danke…danke…Frau Noll, richtig?

Anneliese: Ja, sie erinnern sich vielleicht noch an meinen Mann? Unsere Ehegatten waren Kollegen.

Alison: Ah richtig, richtig….Und sie sind…?

Ingred: Guten Abend, ich bin die Ingred,...ich wünsche dir mein Beileid…ich,-...

Anneliese bedenkt Ingred mit einem bösen Blick und beeilt sich die Aufmerksamkeit von Alison schnell zurück zu erlangen: Frau Krause, wir möchten Ihnen im Namen der gesamten Gemeinde St. Barbara unser Mitgefühl ausdrücken. Wir haben uns erlaubt, Ihnen eine Kleinigkeit mitzubringen. An so einem schweren Tag sollte man sich nicht um das Kochen kümmern müssen.

Alison: Ah….aha, nun äm Danke. Ist da Gluten enthalten? Meine Tochter ist allergisch.

Anneliese, sichtlich verwirrt: Bitte? Nein, so etwas habe ich doch nicht in den Teig getan.

Alison: Wie auch immer…Emilie bekommt lieber nichts davon ab…Nun, ich danke Ihnen für dem Besuch, aber so langsam muss ich mich wieder meiner Arbeit zuwenden.

Alison deutet auf die verstreut herum liegenden Unterlagen, bei denen es sich wohl um Einkaufs- und Gästelisten handelt.

Anneliese: Sie scheinen ja einiges zu tun zu haben…

Alison: Was sie nicht sagen.Typisch Albert! Kommt natürlich genau dann ums Leben, wenn ich mitten in den Vorbereitungen zu einer bedeutungsvollen Benefiz-Gala stecke. Dieser Mann war wirklich so ichbezogen.

Anneliese: Das ist ja zu gütig von Ihnen, dass Sie sich in so einer schweren Zeit für den guten Zweck einsetzen…

Anneliese verwickelt die zusehends abwesend wirkende Alison weiter ins Gespräch, um Edith mehr Zeit zu verschaffen. Dabei lässt Alison nicht allzu tief in ihr Gefühlsleben blicken. Dennoch macht Anneliese eine wichtige Entdeckung: Einer von Alisons teuer aussehenden Diamantohrringen scheint zu fehlen.

Ingreds Blick fällt derweil auf ein Schriftstück, das leider nur zum Teil unter den anderen Unterlagen hervorschaut. Es handelt sich um einen Brief, der mit den Worten “In Liebe Pier'' unterzeichnet ist. Ihn einfach mitgehen zu lassen, würde sicherlich schnell auffallen, doch zum Glück erinnert sich Ingred an etwas, das Amanda Delacourt getan hat: In “Der doppelte Brief" stand die großartige Detektivin vor einem ganz ähnlichen Problem. Statt des Briefs steckte die gewitzte Kriminologin bloß den Umschlag in ihre Tasche und entlockte ihm später das ein oder andere Geheimnis. Der Brief wäre sicherlich vermisst worden, doch wem fällt schon das Verschwinden eines Briefumschlags auf? Schnell tut es Ingred ihrem Vorbild gleich und schon ist der Umschlag in den Tiefen ihres Regenoveralls verschwunden... 

Derweil schleicht Edith alleine über die riesige Yacht und kann gar nicht anders als ein Gespräch zu belauschen:...

















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